NABU: Oderausbau gestoppt

10.03.23
UmweltUmwelt, Internationales, TopNews 

 

Von NABU

Krüger: Ausbau der Oder wäre Ausdruck einer dramatisch falschen Politik

Erst kurz vor dem Jahreswechsel hat der NABU dem deutsch-polnischen Grenzfluss Oder den Dinosaurier des Jahres verliehen. Damit machte der Umweltverband auf die schlechte Situation in vielen deutschen Flüssen aufmerksam. Jetzt hat das Oberste Verwaltungsgericht in Polen den Oderausbau gerichtlich gestoppt. Ein großer Erfolg für den Umweltschutz. NABU-Präsident Jörg-Andres Krüger zeigt sich erleichtert:

“Klimakatastrophe und Naturkrise verbieten jede weitere Naturzerstörungen entlang von Flüssen. Der Schaden solcher Projekte für die Allgemeinheit ist immer größer als der beabsichtigte wirtschaftliche Nutzen für einige wenige. Wie aufwändig die spätere Reparatur solcher Politikfehler ist, sehen wir täglich an der Havel, einem der größten Flussrenaturierungsprojekte in Europa. Dort hat der NABU über Jahrzehnte mit viel Geduld, Geld und Engagement wertvolle Natur an einem von Menschen zerstörten Fluss wiederhergestellt. Die Vielfalt der Arten zu Wasser, an Land und in der Luft ist dadurch regelrecht explodiert. Wenn man diesen Aufwand betrachtet, ist es völlig unverständlich, warum in Polen weiter auf eine folgenreiche Zerstörung gesetzt wurde, die erst jetzt vor Gericht gestoppt wurde.”

Hintergrund:

Das Oberste Verwaltungsgericht Polens bestätigte in seinem Beschluss vom 07.03.2022 vollumfänglich den vorangegangenen Beschluss des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts in Warschau vom 9. Dezember 2022, in dem die einstweilige Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit der von der Generaldirektion für Umweltschutz (GDO?) am 16. August 2022 erlassenen Umweltentscheidung zum Oderausbau bis zum Abschluss des gerichtlichen Hauptverfahrens angeordnet wurde.

In seiner Begründung des Beschlusses hat Polens Oberstes Verwaltungsgericht auch die Einschätzung der klagenden polnischen und deutschen Umweltverbände vollumfänglich bestätigt, dass die einstweilige Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit der Umweltentscheidung eindeutig und unzweifelhaft bedeutet, dass der Vorhabensträger die Bauarbeiten an der Oder mit sofortiger Wirkung einzustellen hat. Eine gegenteilige Rechtsinterpretation würde dazu führen, dass der Rechtsschutz wirkungslos wäre, denn gerichtliche Entscheidungen wären nur noch Fassade, damit verbunden würde auch gegen die EU-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung verstoßen.

Abzuwarten bleibt nun, ob der Vorhabensträger des Oderausbaus auf polnischer Seite, der staatliche Wasserwirtschaftsbetrieb „Polnische Gewässer“ (Pa?stwowe Gospodarstwo Wodne Wody Polskie) und das ihm unterstellte Regionale Amt für Wasserwirtschaft Stettin (RZGW Szczecin), sich an den Beschluss des Obersten Verwaltungsgerichts halten wird.

Die polnischen Verbände Klub Przyrodników, EKO-UNIA und Stepnicka Organizacja Turystyczna, stellvertretend für die polnische Koalition zur Rettung der Flüsse (Koalicja Ratujmy Rzeki), sowie der DNR, der BUND Brandenburg und der NABU, stellvertretend für das deutsche „Aktionsbündnis Lebendige Oder“, hatten, verbunden mit einem Antrag auf einstweilige Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit, Klage eingereicht gegen die Umweltentscheidung der Generaldirektion für Umweltschutz (GDOS) vom 16. August 2022, in der der Oderausbau abschließend genehmigt und die sofortige Vollziehbarkeit des Ausbaus abschließend bestätigt wurde.

Die polnischen und deutschen Verbände begründeten die Klage damit, dass der Oderausbau zur Zerstörung der Unterwasserdünen und Verlandung der Uferbereiche (Buhnenfelder, Parallelgerinne) und damit verbunden zu massivem Habitatverlust insbes. für die Fische und zur Schädigung der Selbstreinigungskraft der Oder führen würde, ferner zur Wasserspiegelabsenkung und damit zur Entwässerung der Auen. Dies wurde vor kurzem ausgerechnet von dem dem Vorhabensträger übergeordneten Ministerium für Infrastruktur selber eingestanden. Die Verbände wiesen darauf hin, dass diese Schäden zur Zerstörung der Kohärenz des EU-Schutzgebietssystems „Natura 2000“ führen würden, ferner der Oderausbau – anders als im deutsch-polnischen Abkommen behauptet – den Hochwasserschutz nicht verbessern, sondern sogar verschlechtern würde. Schlussendlich habe die Generaldirektion für Umweltschutz in ihrer abschließenden Entscheidung völlig unberücksichtigt gelassen, so die Verbände, dass die Daten zur Größe der Fischpopulation vor dem massiven Fischsterben letztes Jahr ermittelt wurden, sodass im Ergebnis das zusätzliche Risiko des Oderausbaus für die Fischpopulationen gar nicht abschätzbar gewesen sei für die Behörde.

Das Woiwodschafts-Verwaltungsgericht hatte in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2022 dem Antrag der Verbände auf Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit bis zum Abschluss des Hauptverfahrens vollumfänglich stattgegeben.

Trotz dieses Gerichtsbeschlusses hatte der Vorhabensträger des Oderausbaus, der dem polnischen Ministerium für Infrastruktur unterstellte staatliche Wasserwirtschaftsbetrieb „Polnische Gewässer“ (PGW Wody Polskie) und das ihm unterstellte Regionale Amt für Wasserwirtschaft Stettin (RZGW Szczecin), die Bauarbeiten an der Oder nicht eingestellt.

Gegen den Beschluss des Woiwodschaftsverwaltungsgericht hatte sowohl der Vorhabensträger des Oderausbaus, der staatliche Wasserwirtschaftsbetrieb „Polnische Gewässer“, als auch die Genehmigungsbehörde, die Generaldirektion für Umweltschutz (GDOS) in Warschau, Beschwerde eingelegt, die nun am 7. März vom Obersten Verwaltungsgericht Polens abgewiesen wurde.

Tatsächlich ist der Oderausbau aber nicht nur auf polnischer, sondern auch auf deutscher Seite geplant.

Das deutsch-polnische Abkommen von 2015 ist die rechtliche Basis des Oderausbaus. In ihm wird der Oderausbau als angeblich notwendig für die Verbesserung der Wassertiefe der Oder für die Eisbrecher im Kampf gegen Eishochwasser und damit als Hochwasserschutzprojekt behauptet. Die polnischen und deutschen Verbände wiesen anhand der amtlichen Daten zu den Eisbrechereinsätzen sowie anhand der amtlichen Planungsdokumente zum Oderausbau nach, dass die Eisbrecher sowohl heute als auch in Zukunft ihre Arbeit sicher verrichten können und der Oderausbau unnötig ist für die Eisbrecher.

Das deutsch-polnische Abkommen soll tatsächlich den Oderausbau für die Binnenschifffahrt ermöglichen. Das Eisbrecher-Hochwasserschutz-Argument wurde nur erfunden, weil das Binnenschifffahrtsargument rechtlich nicht stichhaltig genug war, um den Oderausbau gegenüber dem EU-Umweltrecht legitimieren zu können. Diese Eisbrecher-Mystifizierung ermöglichte es der polnischen Regierung obendrein, bei der Weltbank, die keine Kredite für Schifffahrtsprojekte, wohl aber für Hochwasserschutzprojekte vergibt, einen Kredit für den Oderausbau zu erhalten. All dies wurde ausgerechnet von denjenigen Entscheidungsträgern, die das deutsch-polnische Abkommen selber entwarfen, vollumfänglich zugegeben. Das Interview, in dem die Entscheidungsträger all dies zugaben, war Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit von Angehörigen der Stepnicka Organizacja Turystyczna, der EKO-UNIA und des NABU mit Investigativjournalist*innen der Gazeta Wyborcza. Siehe auch: https://wyborcza.pl/duzyformat/7,127290,26133979,zbudowalismy-dwa-za-duze-statki-wiec-orzemy-cala-odre-zeby.html

Zum Dinosaurier des Jahres: https://www.nabu.de/news/2022/12/32693.html







<< Zurck
Diese Webseite verwendet keine Cookies. Hier erfahrt ihr alles zum Datenschutz