Von Ende Gelände
Tausende machen sich auf den Weg, um den sofortigen Gasausstieg einzuleiten
Mehr als 2.000 Klimaaktivist*innen des Aktionsbündnisses Ende Gelände starten heute aus dem Klimacamp in Brunsbüttel. Die erste Gruppe bricht gerade auf. Ihr Protest richtet sich gegen ein geplantes Fracking-Gas-Terminal im Industriepark „ChemCoast“.
Joli Schröter, Pressesprecherin von Ende Gelände, erklärt:
„Die Klimakrise ist längst Realität. Wer jetzt noch ein Fracking-Gas-Terminal im ChemCoast Park plant, spielt mit dem Feuer. Gas ist ein Brandbeschleuniger der Klimakrise. Und Fracking vergiftet Böden und Trinkwasser. Im ChemCoast Park hat sich das who is who des fossilen Kapitalismus zum größten Industriegebiet Schleswig-Holsteins zusammengeschlossen. Es steht für all das was falsch läuft: Zerstörerische Energie für dreckige Industrien ohne Zukunft.“
Elia Nejem, ebenfalls Pressesprecherin von Ende Gelände, fügt hinzu:
„Wir sind das Investitionsrisiko. Wenn Politiker*innen und Konzerne mitten in der eskalierenden Klimakrise ein Fracking-Gas-Terminal hochziehen, treiben wir ihre Kosten in die Höhe. Wir fangen schon heute damit an. Wir werden weitermachen, bis das Projekt gestoppt ist und der sofortige Gasausstieg umgesetzt wird. Bei diesem Fracking-Gas-Terminal wird es keine Rendite geben.“
Für das Wochenende hat Ende Gelände Aktionen gegen den Ausbau von Gasinfrastruktur angekündigt. Mit den Protesten, an denen sich ebenfalls internationale Aktivist*innen beteiligen, will das Bündnis auch neokoloniale Strukturen skandalisieren. Fracking ist in Deutschland und Europa beschränkt, während die extrem umweltschädliche Technik von deutschen und europäischen Konzernen in den Ländern des globalen Südens eingesetzt wird. Ende Gelände ist deshalb in diesem Jahr Teil des internationalen Aktionstags des Bündnisses “Shale Must Fall” gegen den fossilen Gasausbau, Fracking und Kolonialismus. Zeitgleich wird es Aktionen in mehreren Ländern des Globalen Südens und Nordens geben.
Schienen zum ChemCoast Park blockiert - Aktivist*innen erreichen Aktionsziel - Werkschutz bewirft Aktivist*innen mit Steinen
Heute mittag erreichten Aktivist*innen von Ende Gelände ihr Aktionsziel und blockieren jetzt die Schienen zum ChemCoast Park auf beiden Seiten des Nord-Ostsee-Kanals. Über die Schienen werden fossile Rohstoffe an Konzerne der Öl- und Chemieindustrie darunter Total, Yara, Covestro, Sasol und den Kohlehafen geliefert. Aktivist*innen wurden vom Werkschutz mit Steinen beworfen. Ende Gelände fordert den sofortigen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas und richtet sich gegen ein geplantes Fracking-Gas-Terminal im ChemCoast Park.
Elia Nejem, Sprecherin von Ende Gelände, erklärt dazu:
„Wir blockieren heute den dreckigen ChemCoast Park. Hier steht heute alles still. Wenn hier in Fracking-Gas investiert werden soll, dann sind wir das Investitionsrisiko. Der Kapitalismus sprengt die Grenzen des Planeten. Für Kohle, Öl und Gas ist heute Ende Gelände.“
Auch internationale Aktivist*innen aus den Fördergebieten von Fracking-Gas unterstützen den Protest. Dr. Christopher Basaldú, der Esto’k Gna ist, ein Mitglied des Carrizo Comecrudo Stamms aus Texas, erklärt:
„Kein Konzern hat jemals mit unserem Stamm über die Gas-Infrastruktur gesprochen, die sie auf unserem Territorium bauen. Die Pipelines, die Fracking-Anlagen und die Exportterminals zerstören das Trinkwasser und die Natur: Alles für den europäischen Konsum. Sehr wenige Menschen treiben die Zerstörung des gesamten Lebens auf dem Planeten voran.“
Nord-Ostsee-Kanal dicht - Ende Gelände blockiert mit Kanus eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt
Seit 16:30 Uhr blockiert Ende Gelände den Nord-Ostsee-Kanal. Mit Kanus ist es einer Gruppe von Aktivist*innen gelungen, den Verkehr auf einer der meist befahrenen Wasserstraßen der Welt zum Erliegen zu bringen. Die Häfen am Nord-Ostsee-Kanal sind wichtige Umschlagplätze für Öl. Nahezu ein Drittel der zwischen Nord- und Ostsee transportierten Güter sind Produkte oder Rohstoffe der fossilen und chemischen Industrie. Das in Brunsbüttel geplante Fracking-Gas-Terminal würde diesen Anteil deutlich erhöhen. Die Aktion soll nach Angaben der Aktivist*innen den Zusammenhang zwischen fossiler Industrie in Deutschland und den Fördergebieten im globalen Süden unterstreichen, die durch Seewege miteinander verbunden sind.
Esteban Servat, Klimaaktivist aus Argentinien, kommentiert dazu von einem der Kajaks:
„In Deutschland wird fossiles Gas als Brückentechnologie forciert. In Argentinien, dem Land, aus dem ich komme, wird das mit Blut bezahlt. Es sterben dort Menschen aufgrund der Verschmutzung durch Fracking, Kinder in der argentinischen Fracking-Region Vaca Muerta sterben dreimal so häufig an Leukämie. Die Zerstörung und Kontamination ganzer Regionen durch das Gewinnen von gefracktem Gas wird von denselben internationalen Konzernen betrieben, die es als Flüssiggas nach Europa importieren und es hier als saubere Lösung in der Klimakrise verkaufen wollen. Wir sagen: Sauberes Gas ist eine dreckige Lüge. Der Klimakolonialismus muss ein Ende haben. Mit unseren Kajaks kappen wir heute eine wichtige neokoloniale Handelsroute.“
Die Aktivist*innen betonen, dass die Gasförderung insbesondere durch Fracking nicht nur die lokalen Gemeinschaften und Ökosysteme in den Fördergebieten enorm schädigt, sondern auch die Klimakrise beschleunigt. Untersuchungen zeigen, dass die Gasindustrie große Mengen an Methan freisetzt, ein Treibhausgas, das 87-mal stärker als CO2 auf das Klima wirkt. Nach der Überzeugung von Ende Gelände würde die Investition in weitere Gasinfrastruktur zu einem so genannten Gas-Lock-in führen: Um kosteneffizient zu sein, müssten neue Anlagen jahrzehntelang genutzt werden, wodurch Investitionen in erneuerbare Energien verzögert würden.
Finn Blauer, Sprecherin der Aktionsgruppe, unterstreicht:
„Fossiles Gas ist ein Brandbeschleuniger der Klimakrise. Wir ziehen hier und heute die rote Linie für neue fossile Gasinfrastruktur. Kein Fracking-Gas-Terminal in Brunsbüttel und auch nicht anderswo. Wir brauchen einen radikalen Systemwandel.“
Für ihre Aktion hat sich die Gruppe von Kajak-Aktionen in anderen Teilen der Welt inspirieren lassen, die von betroffenen indigenen Gemeinschaften durchgeführt wurden. Die Aktivist*innen beabsichtigen, ihre Blockade so lange wie möglich fortzusetzen.
Die Aktion ist Teil der globalen Aktionstage gegen Fracking, die von „Shale Must Fall“, einem internationalen Bündnis von Klimaaktivist*innen, initiiert wurden. „Shale must fall“ argumentiert, dass Deutschland und Europa sich als Klimaschützer präsentieren und Fracking auf ihrem eigenen Territorium nicht zulassen, während hier ansässige Öl- und Gasunternehmen Fracking in anderen Ländern betreiben: Wintershall DEA (Deutschland), Shell (Niederlande), Total (Frankreich), BP (Großbritannien), Equinor (Norwegen), Repsol (Spanien), Eni (Italien). Deutschland subventioniert den Bau des neuen Flüssiggas-Terminals, um klimaschädliches Fracking-Gas aus Fördergebieten in anderen Teilen der Welt zu importieren, darunter auch aus indigenen Gebieten in Nord- und Südamerika.
„Antikoloniale Attacke“ gegen rassistische Klimapolitik - Aktion in Hamburg gegen koloniale Kontinuitäten - Scharfe Kritik an der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung
Die „Antikoloniale Attacke“ demonstrierte heute mit über 150 Menschen gegen die Klimapolitik des globalen Nordens. Das Bündnis Schwarzer und migrantischer Menschen solidarisiert sich mit allen, die an den Auswirkungen dieser Klimapolitik schon heute leiden. Sie verweisen dabei auf die Parallelen zur Kolonialzeit und auf Neokolonialismus in Form von Handelsabkommen, billigeren Produktionsbedingungen und globalen Machtgefällen. Dabei legen sie den Fokus darauf, die rassistischen Strukturen innerhalb Deutschlands und grenzübergreifend offenzulegen. Rokaya Hamid, die Sprecherin der Antikolonialen Attacke, erklärt:
„Die koloniale Gewalt von Hamburg als ‚Tor zur Welt‘ hat nie ein Ende gefunden. Wirtschaftswachstum im Globalen Norden heißt für den Globalen Süden: Raub von Land und Ressourcen, Klimazerstörung, Grenzschließungen und Waffenlieferungen. Der deutsche Reichtum beruht auf kolonialer und neokolonialer Ausbeutung. Deutschland nimmt eine zentrale Rolle in der westlichen Kolonialgeschichte ein, die oft aus der Erzählung ausgelassen wird. Dabei ist Kolonialismus sogar in Statuen und Straßennamen immer noch allgegenwärtig, obwohl das sehr leicht zu ändern wäre.“
Kritisiert wird auch die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, die massiv auf den Import von Wasserstoff aus dem Globalen Süden setzt.
„Es ist naiv zu glauben, man könne am Dogma des Wirtschaftswachstums festhalten und müsse nur den Energieträger wechseln. Der Import von Wasserstoff raubt Energie und Wasser, z. B. aus dem Kongo. Hinter der Fassade der grünen Wasserstoffstrategie versteckt sich eine Politik der neokolonialen Ausbeutung des Globalen Südens“, äussert Rokaya Hamid.